Die EU habe aus einem Kontinent des Krieges einen Kontinent des Friedens gemacht.
Presseerklärung: The Norwegian Nobel Committee has decided that the Nobel Peace Prize for 2012 is to be awarded to the Europe... weiterlesen
Posts mit dem Label Presseerklärung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Presseerklärung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Freitag, Oktober 12, 2012
Mittwoch, September 07, 2011
BVerfGE zur Griechenlandhilfe
Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm erfolglos - Keine Verletzung der Haushaltsautonomie des Bundestages
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem heute verkündeten Urteil drei Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen deutsche und europäische Rechtsakte sowie weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe und dem Euro-Rettungsschirm richten. Über den Sachverhalt informiert die Pressemitteilung Nr. 37/2011 vom 9. Juni 2011. Sie kann auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts eingesehen werden.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass das zur Griechenland-Hilfe ermächtigende Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz und das den Euro-Rettungsschirm betreffende Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetz) nicht das Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 GG verletzen. Der Deutsche Bundestag hat durch die Verabschiedung dieser Gesetze weder sein Budgetrecht noch die Haushaltsautonomie zukünftiger Bundestage in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise beeinträchtigt. § 1 Abs. 4 des Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetzes ist allerdings nur bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass die Bundesregierung vor Übernahme von Gewährleistungen im Sinne des Gesetzes verpflichtet ist, die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen. Im Übrigen bestimmt der Senat die verfassungsrechtlichen Grenzen für Gewährleistungsermächtigungen zugunsten anderer Staaten im Europäischen Währungsverbund.
Dem Urteil liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
I. Prüfungsumfang / Zulässigkeit
Der Senat hält die erhobenen Verfassungsbeschwerden nur insoweit für zulässig, als unter Berufung auf das durch Art. 38 GG geschützte Wahlrecht die Bürger einen Substanzverlust ihrer verfassungsstaatlich gefügten Herrschaftsgewalt durch weitreichende oder gar umfassende Übertragungen von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages rügen. Art. 38 Abs. 1 GG schützt davor, dass Kompetenzen des gegenwärtigen oder eines künftigen Bundestages ausgehöhlt werden und damit die Verwirklichung des politischen Willens der Bürger rechtlich oder praktisch unmöglich gemacht wird. Eine solche Entwertung des Wahlaktes droht grundsätzlich dann, wenn Gewährleistungsermächtigungen zur Umsetzung von Verbindlichkeiten, die die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen internationaler Übereinkünfte zur Erhaltung der Liquidität von Staaten der Währungsunion eingeht, ausgesprochen werden. Der Senat konnte offenlassen, unter welchen Voraussetzungen Verfassungsbeschwerden gegen außervertragliche Änderungen des primären Unionsrechts auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gestützt werden können.
Die Beschwerdeführer haben insofern keinen konkreten Zusammenhang dargelegt, der auf eine außervertragliche Änderung des primären Unionsrechts infolge der angegriffenen Maßnahmen hindeutet. Auch im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 GG) haben die Beschwerdeführer nicht hinreichend Tatsachen vorgetragen aus denen sich ergibt, dass von den angegriffenen Maßnahmen eine objektive Beeinträchtigung der Kaufkraft des Euro von erheblichem Umfang ausgehen könnte.
Soweit die Verfassungsbeschwerden nicht nur die beiden einschlägigen Gesetze des Deutschen Bundestages angreifen, sind sie unzulässig, weil es an einem tauglichen Beschwerdegegenstand fehlt.
II. Prüfungsmaßstab
Art. 38 GG fordert in Verbindung mit den Grundsätzen des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG), dass die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand als grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat in der Hand des Deutschen Bundestages bleibt. Auch in einem System intergouvernementalen Regierens müssen die Abgeordneten als gewählte Repräsentanten des Volkes die Kontrolle über fundamentale haushaltspolitische Entscheidungen behalten. Insofern ist es dem Deutschen Bundestag untersagt, finanzwirksame Mechanismen zu begründen, die zu nicht überschaubaren haushaltsbedeutsamen Belastungen ohne erneute konstitutive Zustimmung des Bundestages führen können. Es ist insoweit auch dem Bundestag als Gesetzgeber verwehrt, dauerhafte völkervertragsrechtliche Mechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im internationalen oder unionalen Bereich muss vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden. Auch bei der Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln muss hinreichender parlamentarischer Einfluss gesichert sein. Der Senat, dem im Hinblick auf die prozessuale Ausgangslage eine Prüfung der beanstandeten Gesetze an unionsrechtlichen Bestimmungen verwehrt war, weist gleichwohl darauf hin, dass die bestehenden europäischen Verträge einem Verständnis der nationalen Haushaltsautonomie als einer wesentlichen, nicht entäußerbaren Kompetenz der unmittelbar demokratisch legitimierten Parlamente der Mitgliedstaaten nicht entgegenstehen, sondern sie im Gegenteil voraussetzen. Die strikte Beachtung der europäischen Verträge gewährleistet, dass die Handlungen der Organe der Europäischen Union in und für Deutschland über eine hinreichende demokratische Legitimation verfügen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die vertragliche Konzeption der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft Grundlage und Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes ist, wie dies der Senat bereits mit der Maastricht-Entscheidung deutlich gemacht hat (BVerfGE 89, 155 <205>).
III. Subsumtion
Das Bundesverfassungsgericht kann sich bei der Feststellung einer verbotenen Entäußerung der Haushaltsautonomie nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Es hat seine Prüfung hinsichtlich des Umfangs der Gewährleistungsübernahme auf evidente Überschreitungen äußerster Grenzen zu beschränken. Dem Gesetzgeber kommt hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, für Gewährleistungen einstehen zu müssen, insofern ein Einschätzungsspielraum zu, den das Bundesverfassungsgericht zu respektieren hat. Entsprechendes gilt für die Abschätzung der künftigen Tragfähigkeit des Bundeshaushalts und des wirtschaftlichen Leistungsvermögens der Bundesrepublik Deutschland. Unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Einschätzungsvorrangs und gemessen an den zulässigerweise angelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben erweist sich sowohl das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz als auch das Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Bundestag hat sein Budgetrecht nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise entleert und den substantiellen Bestimmungsgehalt des Demokratieprinzips nicht missachtet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Höhe der übernommenen Gewährleistungen die haushaltswirtschaftliche Belastungsgrenze derart überschreitet, dass die Haushaltsautonomie praktisch vollständig leerliefe.
Die Beurteilung des Gesetzgebers, dass die Gewährleistungsermächtigungen in Höhe von insgesamt rund 170 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt tragbar seien, überschreitet nicht seinen Einschätzungsspielraum und ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für seine Erwartung, dass selbst im Fall der vollständigen Realisierung des Gewährleistungsrisikos die Verluste über Einnahmesteigerungen, Ausgabenkürzungen und über längerfristige Staatsanleihen noch refinanzierbar wären. Derzeit besteht auch keine Veranlassung, einen unumkehrbaren Prozess mit Konsequenzen für die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages anzunehmen.
Das deutsche Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht in der Fassung des Vertrags von Lissabon gewährleistet nach wie vor verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland keinem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren Automatismus einer Haftungsgemeinschaft unterwirft. Keines der beiden angegriffenen Gesetze begründet oder verfestigt einen Automatismus, durch den der Bundestag sich seines Budgetrechts entäußern würde. Das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz beschränkt die Gewährleistungsermächtigung der Höhe nach, bezeichnet den Zweck der Gewährleistung, regelt in gewissem Umfang die Auszahlungsmodalitäten und macht bestimmte Vereinbarungen mit Griechenland zur Grundlage der Gewährleistungsübernahme. Damit ist die Gewährleistungsermächtigung weitgehend inhaltlich bestimmt.
Das Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetz legt nicht nur Zweck und Grundmodalitäten, sondern auch das Volumen möglicher Gewährleistungen fest. Deren Übernahme ist nur in einem bestimmten Zeitraum möglich und wird von der Vereinbarung eines wirtschafts- und finanzpolitischen Programms mit dem betroffenen Mitgliedstaat abhängig gemacht. Dieses bedarf einvernehmlicher Billigung der Staaten des Euro-Währungsgebiets, wodurch der Bundesregierung ein bestimmender Einfluss gesichert ist. Allerdings verpflichtet § 1 Abs. 4 Satz 1 dieses Gesetzes die Bundesregierung lediglich dazu, sich vor der Übernahme von Gewährleistungen zu bemühen, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages herzustellen. Dies genügt nicht. Zur Gewährleistung der parlamentarischen Haushaltsautonomie bedarf es vielmehr einer verfassungskonformen Auslegung dieser Regelung dahingehend, dass die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtet ist, vor Übernahme von Gewährleistungen jeweils die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen.
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle - Pressemitteilung Nr. 55/2011 vom 7. September 2011 Urteil vom vom 7. September 2011 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10
Freitag, April 08, 2011
GRÜNE: Lebensbedingungen der Roma in Europa verbessern
Zum internationalen Roma-Tag erklärt Claudia Roth, Bundesvorsitzende
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
"Im Europa von heute sind Roma vielfach benachteiligt und zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie leben oft am Existenzminimum und haben wenig Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, Beschäftigung oder dem Gesundheitssystem. Es ist ein Teufelskreis, der es den Menschen fast unmöglich macht, ihre schwere sozioökonomische Lage zu überwinden.
Die Anfang April von der EU-Kommission vorgestellte Inklusionsstrategie zur Verbesserung der Lebensumstände von Roma in Europa ist bitter nötig. Ob Ausweisungen aus Frankreich, die wachsenden rechtsextremen Übergriffe gegen Roma in Ungarn oder auch die geplanten Abschiebungen von 10.000 Roma aus Deutschland ins noch immer gebeutelte Kosovo zeigen: Wenn es um die Rechte der Roma geht, fühlt sich viel zu oft niemand verantwortlich.
Die Inklusionsstrategie mag zwar ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber letztendlich beinhaltet sie noch immer viele Lücken. So ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Betroffenen selbst völlig aus dem Erarbeitungsprozess ausgeschlossen wurden und warum keine konkrete Maßnahmen gegen die Diskriminierung der Roma darin enthalten sind.
Wir brauchen eine breiter aufgestellte europäische Strategie, die sowohl die Inklusion der Roma im Blick hat, als auch konkrete Maßnahmen gegen ihre Diskriminierung enthält. Die Diskrimierung von Roma durch Behörden, Polizei oder in der Öffentlichkeit muss beendet werden. Leider ist das aber gerade in osteuropäischen Ländern bitterer Alltag für viele Roma.
Die Inklusionsstrategie muss jetzt auch wirklich jeweils vor Ort umgesetzt werden. Darauf muss die EU-Kommission ein Auge haben. Auch die Bundesregierung ist gefordert, hierzulande gegen Hetzkampagnen und Diskriminierungen entschieden vorzugehen.“
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
"Im Europa von heute sind Roma vielfach benachteiligt und zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie leben oft am Existenzminimum und haben wenig Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, Beschäftigung oder dem Gesundheitssystem. Es ist ein Teufelskreis, der es den Menschen fast unmöglich macht, ihre schwere sozioökonomische Lage zu überwinden.
Die Anfang April von der EU-Kommission vorgestellte Inklusionsstrategie zur Verbesserung der Lebensumstände von Roma in Europa ist bitter nötig. Ob Ausweisungen aus Frankreich, die wachsenden rechtsextremen Übergriffe gegen Roma in Ungarn oder auch die geplanten Abschiebungen von 10.000 Roma aus Deutschland ins noch immer gebeutelte Kosovo zeigen: Wenn es um die Rechte der Roma geht, fühlt sich viel zu oft niemand verantwortlich.
Die Inklusionsstrategie mag zwar ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber letztendlich beinhaltet sie noch immer viele Lücken. So ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Betroffenen selbst völlig aus dem Erarbeitungsprozess ausgeschlossen wurden und warum keine konkrete Maßnahmen gegen die Diskriminierung der Roma darin enthalten sind.
Wir brauchen eine breiter aufgestellte europäische Strategie, die sowohl die Inklusion der Roma im Blick hat, als auch konkrete Maßnahmen gegen ihre Diskriminierung enthält. Die Diskrimierung von Roma durch Behörden, Polizei oder in der Öffentlichkeit muss beendet werden. Leider ist das aber gerade in osteuropäischen Ländern bitterer Alltag für viele Roma.
Die Inklusionsstrategie muss jetzt auch wirklich jeweils vor Ort umgesetzt werden. Darauf muss die EU-Kommission ein Auge haben. Auch die Bundesregierung ist gefordert, hierzulande gegen Hetzkampagnen und Diskriminierungen entschieden vorzugehen.“
Dienstag, März 09, 2010
Deutsch-Türkischen Übersetzerpreis
Staatsministerin Pieper und türkischer Kulturminister Günay vereinbaren Deutsch-Türkischen Übersetzerpreis
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und der Minister für Kultur und Tourismus der Republik Türkei, Ertugrul Günay, haben heute (09.03.) einen Deutsch-Türkischen Übersetzerpreis ins Leben gerufen. Er soll bereits in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen werden. Der Preis wird herausragende Übersetzungen deutscher Literatur ins Türkische ebenso auszeichnen wie Übersetzungen türkischer Literatur ins Deutsche.
Der Übersetzerpreis ist Bestandteil der Ernst-Reuter-Initiative für Dialog und Verständigung zwischen den Kulturen. Die Ernst-Reuter-Initiative (ERI) wurde 2006 vor dem Hintergrund der Karikaturenkrise gegründet. Mittlerweile besteht die Initiative aus zahlreichen erfolgreichen Projekten in den Bereichen Kunst, Kultur und Medien, Jugend, Wissenschaft und Integration, z. B. das gemeinsame Masterprogramm der Humboldt-Universität Berlin und der Middle East University Ankara oder "Jungenc" - ein deutsch-türkisches Jugendorchester.
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und der Minister für Kultur und Tourismus der Republik Türkei, Ertugrul Günay, haben heute (09.03.) einen Deutsch-Türkischen Übersetzerpreis ins Leben gerufen. Er soll bereits in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen werden. Der Preis wird herausragende Übersetzungen deutscher Literatur ins Türkische ebenso auszeichnen wie Übersetzungen türkischer Literatur ins Deutsche.
Der Übersetzerpreis ist Bestandteil der Ernst-Reuter-Initiative für Dialog und Verständigung zwischen den Kulturen. Die Ernst-Reuter-Initiative (ERI) wurde 2006 vor dem Hintergrund der Karikaturenkrise gegründet. Mittlerweile besteht die Initiative aus zahlreichen erfolgreichen Projekten in den Bereichen Kunst, Kultur und Medien, Jugend, Wissenschaft und Integration, z. B. das gemeinsame Masterprogramm der Humboldt-Universität Berlin und der Middle East University Ankara oder "Jungenc" - ein deutsch-türkisches Jugendorchester.
Donnerstag, Juli 03, 2008
Rede BM Steinmeier beim Treffen des bilateralen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs
Rede BM Steinmeier beim Treffen des bilateralen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs, 3. Juni 2008
"Globale Herausforderungen gemeinsam gestalten - Perspektiven der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft"
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Michail Gorbatschow, sehr geehrter Lothar de Maizière, sehr geehrte Damen und Herren,
in seiner Berliner Rede hat der neue russische Präsident Medwedjew vor wenigen Wochen in Anlehnung an John Le Carré einen bemerkenswerten Satz geprägt. Russland, so sagte er, sei „aus der Kälte zurückgekehrt“. Sein Land sei bereit, die globale Politik und Wirtschaft konstruktiv mitzugestalten.
Vor wenigen Tagen, beim Gipfel von Russland und der Europäischen Union, hat Dimitrij Medwedjew diese Ankündigung konkret unterlegt. Meine Zuversicht steigt, dass die Zeit für eine substanzielle Ausgestaltung und Vertiefung des europäisch-russischen, aber besonders auch des deutsch-russischen Verhältnisses, endlich heranreift. Das ist eine große Chance. Wir dürfen sie unter keinen Umständen verspielen.
Und deshalb ist es gut und wichtig, dass wir hier gemeinsam diskutieren, wie Russen und Deutsche diese Chance rasch und entschlossen nutzen können. Ich freue mich auch sehr, dass unsere heutige Begegnung in Passau stattfindet. Das gibt Gelegenheit, dem neuen Oberbürgermeister dieser Stadt zu gratulieren. Lieber Jürgen Depper, ganz herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg beim Wirken für die Menschen in dieser Stadt, den Menschen, bei denen ich mich bedanken will für den wunderschönen Rahmen, den Passau dieser Tagung setzt.
Es gehört zu den Markenzeichen des Petersburger Dialogs, dass seine Veranstaltungen außerhalb der Hauptstädte stattfinden - fernab von Regierungssitzen und Regierungen. Denn dafür steht der Petersburger Dialog: für den Dialog zwischen unseren Zivilgesellschaften, für einen Brückenschlag zwischen den Menschen, für das offene, vertrauensvolle und auch kritische Gespräch zwischen Deutschen und Russen weit über die politischen Gesprächskanäle hinaus. In dieser Eigenschaft ist der Petersburger Dialog längst nicht mehr aus den deutsch-russischen Beziehungen wegzudenken. Er bereitet sozusagen den Humus, aus dem immer wieder und hoffentlich bald noch stärkere neue Pflanzen der deutsch-russischen Zusammenarbeit sprießen.
Regierungen allein können auf Dauer keine lebendigen Beziehungen zwischen Ländern und Staaten erhalten. Erst der Austausch und die Verflechtung der Zivilgesellschaften macht Beziehungen wirklich eng und fruchtbar. Es sind die Musiker, die Maler und Schriftsteller, die sich wechselseitig anregen; die Unternehmer, die zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten; die Wissenschaftler, die voneinander lernen und gemeinsam unbekanntes Gebiet erforschen; die Journalisten, die neugierig und offen die Gesellschaft des jeweils anderen Landes entdecken und beschreiben.
Deshalb bin ich im Mai bei meiner letzten Russland-Reise bewusst auch in die Regionen gefahren. In Jekaterinburg am Ural, einer Industriestadt mit 1,5 Millionen Einwohnern, wo inzwischen viele deutsche Unternehmen und Wissenschaftler aktiv sind, habe ich gesagt: Wir haben gelernt, dass Russland nicht am Autobahnring von Moskau endet. Dort wie in Sankt Petersburg habe ich mich bemüht, die Kontakte zwischen Menschenrechtlern, kirchlichen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen beider Länder zu fördern – ganz im Sinne des Petersburger Dialogs, der dies seit seiner Gründung vor sieben Jahren vormacht.
In diesen sieben Jahren ist im deutsch-russischen Verhältnis in vielen Bereichen etwas gewachsen, das generell und für die Außenpolitik besonders das wichtigste Kapital ist: gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. Das verdanken wir nicht zuletzt der Arbeit des bilateralen Lenkungsausschusses, dem unermüdlichen Einsatz von Menschen wie Lothar de Maizière, Manfred Stolpe und Michail Gorbatschow. Ich möchte aber nicht nur Ihnen, sondern allen engagierten Partnern im Lenkungsausschuss an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen!
Wir alle wissen: Verständnis und Vertrauen wachsen nur langsam. Dafür notwendig sind Zeit, Geduld und beständige Pflege. Zwanzig Jahre sind seit dem Fall der Mauer mittlerweile vergangen, seit dem Ende der Blockkonfrontation zwischen Ost und West. Manche Mauern – ich meine die Mauern in den Köpfen – sind aber nicht so schnell gefallen. Hier und da haben sie noch immer Bestand. Die Denkmuster des Kalten Krieges und seine ideologischen Klischees verfolgen uns als lange Schatten der Vergangenheit.
Und darum werbe ich dafür, dass wir miteinander begreifen: Wir sind in ein neues Zeitalter nach dem Kalten Krieg eingetreten, ein Zeitalter der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit werden wir die wichtigen Probleme nur noch gemeinsam lösen können – vom Klimaschutz bis zur Energiesicherheit. Darum setze ich auf eine Politik für mehr gegenseitiges Verständnis, für Zusammenarbeit und Dialog. Auf diesem Weg werden wir erkennen, dass wir viel mehr gemeinsame Interessen haben, als manche vielleicht glauben!
Gehen wir offen und neugierig auf diesem Weg voran! Dann haben wir die Chance, Missverständnisse und falsche Wahrnehmungen zu erkennen und zu überwinden. Ich will in diesem Zusammenhang an den offenen Brief von Michail Gorbatschow erinnern, der in diesem März die deutschen Medien aufgerufen hat, ihren Blick auf Russland gelegentlich etwas selbstkritischer zu überprüfen. Nicht jeder Bericht, so sein Urteil, ist geprägt von einem unvoreingenommenen Umgang miteinander. Nehmen wir diese Kritik von Michail Gorbatschow, der sich leidenschaftlich um Dialog und Zusammenarbeit bemüht, ernst!
Aber ich will auch sagen: Beim Aufbau von gegenseitigem Vertrauen zwischen Deutschen und Russen sind wir weit vorangekommen, und das ist für die Politik eine Steilvorlage.
Die Chancen für ein neues Miteinander zwischen den USA, der EU und Russland stehen deshalb gut, auch wenn wir die Differenzen, die es gibt, gar nicht leugnen brauchen. Aber die gemeinsamen Interessen sind doch viel größer als die Unterschiede.
Ich meine: Die wachsende Vernetzung und Verflechtung, neue globale Probleme und Risiken, denen sich die USA, die EU und Russland gemeinsam stellen müssen – das sind Ansatzpunkte für eine neue gemeinsame Agenda.
Präsident Medwedjew hat Ende Mai bei seiner Rede in Berlin gezeigt, dass er das ganz ähnlich sieht. Er hat deutlich gemacht, dass sich Russland als Teil der europäischen Zivilisation sieht. Einer gemeinsamen Zivilisation, so hat er hinzugefügt, die Nordamerika, die Europäische Union und Russland umfasst.
In diesen Worten kommt nicht nur eine geographische Orientierung, sondern eine Orientierung an gemeinsamer Kultur und Geschichte zum Ausdruck. Und die Bereitschaft zu gemeinsamer Zukunftsgestaltung!
Der russische Präsident hat sich für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit in einem einheitlichen euroatlantischen Raum von Vancouver bis Wladiwostok ausgesprochen. Mit dieser Aussage hat er eine Zielsetzung formuliert, die wir alle in der Charta von Paris bekräftigt haben.
Denn eine europäische Friedensordnung, auf der Grundlage gemeinsamer Interessen, gemeinsamer Werte und einer gemeinsamen, unteilbaren Sicherheit war immer unser Ziel.
In öffentlichen Diskussionsbeiträgen haben Hans-Dietrich Genscher und der Verteidigungsexperte Lothar Rühl in den vergangenen Tagen unterstrichen, wie aktuell und wie bedeutsam die Frage einer Verständigung über uns gemeinsam berührende Sicherheitsinteressen ist.
Auch das muss Teil unserer gemeinsamen Agenda sein – die ich im Sinne einer globalen Verantwortungsgemeinschaft verstehe. Einer Verantwortungsgemeinschaft, die wir schaffen müssen, wenn wir wollen, dass unsere Kinder und Enkel so friedlich und gut leben wie wir selbst – und damit die Kinder es in manchen Teilen der Welt es sogar besser haben als heute.
Für Deutschland und die EU ist Russland solch ein unverzichtbarer Partner bei der Gestaltung der Welt von morgen. Wir brauchen Russland als Partner. In gemeinsamer Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in Europa und weit darüber hinaus. Nur gemeinsam mit Russland wird unsere Energieversorgung auf Dauer sicher und friedlich sein, nur gemeinsam mit Russland werden wir Fortschritte bei der Abrüstung erreichen und im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich sein. Ich bin überzeugt: Es wird in Europa, im ganzen eurasischen Raum keine Sicherheit ohne oder gar gegen Russland geben.
Russland braucht aber auch Europa – um sein Land politisch nach vorn zu bringen und sich wirtschaftlich zu modernisieren. Deshalb habe ich eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft vorgeschlagen. Im Kern geht es dabei um eine Zusammenarbeit in Bereichen, in denen sich unsere gemeinsame Zukunft entscheidet: bei der Klima- und Energiepolitik, im gemeinsamen Bemühen um Energieeffizienz, bei der Gesundheitspolitik, bei der Abfederung der Folgen einer älter werdenden Gesellschaft, auf den Feldern Bildung und Wissenschaft oder auch der Rechtstaatlichkeit.
Ich freue mich, dass Präsident Medwedjew bei meinen Gesprächen mit ihm in Moskau und in Berlin diesen Vorschlag positiv aufgegriffen hat. Tun wir alles dafür, die Modernisierungspartnerschaft als Motor für eine gute gemeinsame Zukunft zu begreifen.
kürzlich habe ich jungen Studenten an der Ural-Universität in Jekaterinburg gesagt: Wir leben in einer Zeit, in der nicht mehr die Zahl der Panzer und Raketen über die Stärke eines Landes entscheiden, sondern die Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft, die Zahl seiner klugen Köpfe, die Anwendung von Wissen, die internationale Vernetzung und die Offenheit seiner Gesellschaft.
Genau dies haben wir mit der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft im Blick: uns fit zu machen für das globale 21. Jahrhundert. Das ist nicht nur Aufgabe von Regierungen. Der Staat kann Rahmen setzen und flankierend zur Seite stehen. Lebendig wird eine Partnerschaft aber erst mit konkreten Ideen, Konzepten und Projekten, von engagierten Menschen auf beiden Seiten. Eine Aufgabe ganz besonders auch für den Petersburger Dialog.
Lassen Sie mich dafür zwei Beispiele nennen.
Erstens: Bildung, Ausbildung und Forschung sind für jede Gesellschaft grundlegend. Wissen ist die entscheidende Ressource der Zukunft – das weiß man hier in der Universitätsstadt Passau sehr genau! Deshalb haben wir, Deutschland und Russland, vor drei Jahren eine strategische Partnerschaft in Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Diese Partnerschaft hat dazu beigetragen, dass Deutschland heute mit kaum einem anderen Land der Welt so enge Forschungs- und Hochschulbeziehungen wie mit Russland hat. Rund 12.000 russische Studenten lernen bei uns, viele haben es nach ihrer Rückkehr bis in Spitzenpositionen geschafft.
Aber wir können noch viel mehr tun. Ein gemeinsames Thema ist die Ausbildung junger Menschen und eine praxisnahe Fortbildung. Viele Firmen, übrigens auch deutsche Unternehmen, suchen in Russland händeringend nach Fachkräften. Aber auch die öffentliche Verwaltung muss funktionieren, wenn die Wirtschaft wachsen soll.
Zum Bildungsbereich im weiteren Sinne gehört auch der Jugendaustausch. Nur wenn deutsche und russische Jugendliche sich begegnen, wenn sie Interesse füreinander entwickeln und die Sprache des anderen Landes lernen, bleibt das deutsch-russische Verhältnis auch in Zukunft lebendig.
Der Petersburger Dialog hat zu Recht immer wieder darauf gedrängt, dass wir von beiden Seiten alles tun, um den Jugendaustausch weiter zu verstärken. Das ist das zentrale Anliegen der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch, die aus der Arbeit des Petersburger Dialogs hervorgegangen ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal herausheben, wie groß die Bedeutung der wechselseitigen Sprachkenntnisse ist. Wer die Sprache des Anderen spricht, geht leichter aufeinander zu – ob in der Wirtschaft, in der Forschung oder in der Kultur. Die Initiative für mehr Partnerschulen knüpft genau an diesem Punkt an.
Daher machen wir uns stark für mehr Russisch-Unterricht an deutschen Schulen, mehr Studiengänge an deutschen Universitäten. Wir können da gegenüber den Russen an Neugier und Bereitschaft noch einiges nachholen! Auch dank unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Russland können wir feststellen: In keinem anderen Land der Welt lernen so viele Menschen Deutsch wie in Russland!
Das zweite Modernisierungsthema, das ich nennen möchte, hat Präsident Medwedjew selbst wiederholt angesprochen. Er hat gesagt, dass in Russland die Verbesserung des Rechtssystems und mehr Rechtsstaatlichkeit verwirklicht werden müssen, wenn die Modernisierung des Landes gelingen soll. Das wollen wir unterstützen!
Zum Beispiel mit der Beratung bei Gesetzen. Mit der Fort- und Weiterbildung von Praktikern von Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten und Notaren. Wir sollten auch neue Wege bei der rechtswissenschaftlichen Zusammenarbeit gehen. Ich denke an verstärkte „train the trainer“ Programme für Nachwuchs-Rechtswissenschaftler oder gemeinsame Promotionsprogramme. Als Rahmen könnte ich ich mir ein Deutsch-Russisches Kompetenzzentrum Rechtswissenschaft vorstellen.
dies sind nur zwei von vielen Zukunftsfeldern, die wir gemeinsam gestalten können. Auch in den Bereichen Gesundheitspolitik und Demografie, Energieeffizienz oder Verkehrsinfrastruktur haben wir ganz konkrete Vorstellungen davon, wie wir konkret zusammenarbeiten können und beide dabei gewinnen! Im Bereich des Gesundheitswesens hat der Petersburger Dialog vor allem mit dem „Koch-Mentschnikow-Forum“ schon einen substanziellen Beitrag zu dieser Modernisierungsagenda geleistet.
Viele dieser Zukunftsfelder haben eine europäische Dimension. Deshalb bin ich ausgesprochen froh, dass es beim EU-Russland Gipfel in Chanty-Mansijsk letzte Woche gelungen ist, den Startschuss für die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu geben. Zwei Jahre haben wir uns in der EU und in Moskau gegenseitig Steinchen und Steine in den Weg gelegt. Jetzt kann es endlich losgehen, und hoffentlich sehen wir jetzt stärker, wie viel wir uns langfristig zu geben haben. Ich halte auch langfristig auch eine Freihandelszone zwischen der EU und Russland für keine Utopie, wenn Russland schon eine Weile der Welthandelsorganisation angehört.
Leo Tolstoi hat uns folgenden Rat auf den Weg gegeben: „Es ist leichter, zehn Bände über Philosophie zu schreiben, als einen Grundsatz in die Tat umzusetzen.“
Lassen Sie uns also an die Arbeit gehen. Lassen Sie uns den Petersburger Dialog nutzen, um die Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland mit neuen Ideen und Taten zu vertiefen!
Meine Damen und Herren, ich freue mich jetzt auf Ihre Anregungen, Herr Gorbatschow und Herr de Maizière.
"Globale Herausforderungen gemeinsam gestalten - Perspektiven der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft"
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Michail Gorbatschow, sehr geehrter Lothar de Maizière, sehr geehrte Damen und Herren,
in seiner Berliner Rede hat der neue russische Präsident Medwedjew vor wenigen Wochen in Anlehnung an John Le Carré einen bemerkenswerten Satz geprägt. Russland, so sagte er, sei „aus der Kälte zurückgekehrt“. Sein Land sei bereit, die globale Politik und Wirtschaft konstruktiv mitzugestalten.
Vor wenigen Tagen, beim Gipfel von Russland und der Europäischen Union, hat Dimitrij Medwedjew diese Ankündigung konkret unterlegt. Meine Zuversicht steigt, dass die Zeit für eine substanzielle Ausgestaltung und Vertiefung des europäisch-russischen, aber besonders auch des deutsch-russischen Verhältnisses, endlich heranreift. Das ist eine große Chance. Wir dürfen sie unter keinen Umständen verspielen.
Und deshalb ist es gut und wichtig, dass wir hier gemeinsam diskutieren, wie Russen und Deutsche diese Chance rasch und entschlossen nutzen können. Ich freue mich auch sehr, dass unsere heutige Begegnung in Passau stattfindet. Das gibt Gelegenheit, dem neuen Oberbürgermeister dieser Stadt zu gratulieren. Lieber Jürgen Depper, ganz herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg beim Wirken für die Menschen in dieser Stadt, den Menschen, bei denen ich mich bedanken will für den wunderschönen Rahmen, den Passau dieser Tagung setzt.
Es gehört zu den Markenzeichen des Petersburger Dialogs, dass seine Veranstaltungen außerhalb der Hauptstädte stattfinden - fernab von Regierungssitzen und Regierungen. Denn dafür steht der Petersburger Dialog: für den Dialog zwischen unseren Zivilgesellschaften, für einen Brückenschlag zwischen den Menschen, für das offene, vertrauensvolle und auch kritische Gespräch zwischen Deutschen und Russen weit über die politischen Gesprächskanäle hinaus. In dieser Eigenschaft ist der Petersburger Dialog längst nicht mehr aus den deutsch-russischen Beziehungen wegzudenken. Er bereitet sozusagen den Humus, aus dem immer wieder und hoffentlich bald noch stärkere neue Pflanzen der deutsch-russischen Zusammenarbeit sprießen.
Regierungen allein können auf Dauer keine lebendigen Beziehungen zwischen Ländern und Staaten erhalten. Erst der Austausch und die Verflechtung der Zivilgesellschaften macht Beziehungen wirklich eng und fruchtbar. Es sind die Musiker, die Maler und Schriftsteller, die sich wechselseitig anregen; die Unternehmer, die zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten; die Wissenschaftler, die voneinander lernen und gemeinsam unbekanntes Gebiet erforschen; die Journalisten, die neugierig und offen die Gesellschaft des jeweils anderen Landes entdecken und beschreiben.
Deshalb bin ich im Mai bei meiner letzten Russland-Reise bewusst auch in die Regionen gefahren. In Jekaterinburg am Ural, einer Industriestadt mit 1,5 Millionen Einwohnern, wo inzwischen viele deutsche Unternehmen und Wissenschaftler aktiv sind, habe ich gesagt: Wir haben gelernt, dass Russland nicht am Autobahnring von Moskau endet. Dort wie in Sankt Petersburg habe ich mich bemüht, die Kontakte zwischen Menschenrechtlern, kirchlichen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen beider Länder zu fördern – ganz im Sinne des Petersburger Dialogs, der dies seit seiner Gründung vor sieben Jahren vormacht.
In diesen sieben Jahren ist im deutsch-russischen Verhältnis in vielen Bereichen etwas gewachsen, das generell und für die Außenpolitik besonders das wichtigste Kapital ist: gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. Das verdanken wir nicht zuletzt der Arbeit des bilateralen Lenkungsausschusses, dem unermüdlichen Einsatz von Menschen wie Lothar de Maizière, Manfred Stolpe und Michail Gorbatschow. Ich möchte aber nicht nur Ihnen, sondern allen engagierten Partnern im Lenkungsausschuss an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen!
Wir alle wissen: Verständnis und Vertrauen wachsen nur langsam. Dafür notwendig sind Zeit, Geduld und beständige Pflege. Zwanzig Jahre sind seit dem Fall der Mauer mittlerweile vergangen, seit dem Ende der Blockkonfrontation zwischen Ost und West. Manche Mauern – ich meine die Mauern in den Köpfen – sind aber nicht so schnell gefallen. Hier und da haben sie noch immer Bestand. Die Denkmuster des Kalten Krieges und seine ideologischen Klischees verfolgen uns als lange Schatten der Vergangenheit.
Und darum werbe ich dafür, dass wir miteinander begreifen: Wir sind in ein neues Zeitalter nach dem Kalten Krieg eingetreten, ein Zeitalter der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit werden wir die wichtigen Probleme nur noch gemeinsam lösen können – vom Klimaschutz bis zur Energiesicherheit. Darum setze ich auf eine Politik für mehr gegenseitiges Verständnis, für Zusammenarbeit und Dialog. Auf diesem Weg werden wir erkennen, dass wir viel mehr gemeinsame Interessen haben, als manche vielleicht glauben!
Gehen wir offen und neugierig auf diesem Weg voran! Dann haben wir die Chance, Missverständnisse und falsche Wahrnehmungen zu erkennen und zu überwinden. Ich will in diesem Zusammenhang an den offenen Brief von Michail Gorbatschow erinnern, der in diesem März die deutschen Medien aufgerufen hat, ihren Blick auf Russland gelegentlich etwas selbstkritischer zu überprüfen. Nicht jeder Bericht, so sein Urteil, ist geprägt von einem unvoreingenommenen Umgang miteinander. Nehmen wir diese Kritik von Michail Gorbatschow, der sich leidenschaftlich um Dialog und Zusammenarbeit bemüht, ernst!
Aber ich will auch sagen: Beim Aufbau von gegenseitigem Vertrauen zwischen Deutschen und Russen sind wir weit vorangekommen, und das ist für die Politik eine Steilvorlage.
Die Chancen für ein neues Miteinander zwischen den USA, der EU und Russland stehen deshalb gut, auch wenn wir die Differenzen, die es gibt, gar nicht leugnen brauchen. Aber die gemeinsamen Interessen sind doch viel größer als die Unterschiede.
Ich meine: Die wachsende Vernetzung und Verflechtung, neue globale Probleme und Risiken, denen sich die USA, die EU und Russland gemeinsam stellen müssen – das sind Ansatzpunkte für eine neue gemeinsame Agenda.
Präsident Medwedjew hat Ende Mai bei seiner Rede in Berlin gezeigt, dass er das ganz ähnlich sieht. Er hat deutlich gemacht, dass sich Russland als Teil der europäischen Zivilisation sieht. Einer gemeinsamen Zivilisation, so hat er hinzugefügt, die Nordamerika, die Europäische Union und Russland umfasst.
In diesen Worten kommt nicht nur eine geographische Orientierung, sondern eine Orientierung an gemeinsamer Kultur und Geschichte zum Ausdruck. Und die Bereitschaft zu gemeinsamer Zukunftsgestaltung!
Der russische Präsident hat sich für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit in einem einheitlichen euroatlantischen Raum von Vancouver bis Wladiwostok ausgesprochen. Mit dieser Aussage hat er eine Zielsetzung formuliert, die wir alle in der Charta von Paris bekräftigt haben.
Denn eine europäische Friedensordnung, auf der Grundlage gemeinsamer Interessen, gemeinsamer Werte und einer gemeinsamen, unteilbaren Sicherheit war immer unser Ziel.
In öffentlichen Diskussionsbeiträgen haben Hans-Dietrich Genscher und der Verteidigungsexperte Lothar Rühl in den vergangenen Tagen unterstrichen, wie aktuell und wie bedeutsam die Frage einer Verständigung über uns gemeinsam berührende Sicherheitsinteressen ist.
Auch das muss Teil unserer gemeinsamen Agenda sein – die ich im Sinne einer globalen Verantwortungsgemeinschaft verstehe. Einer Verantwortungsgemeinschaft, die wir schaffen müssen, wenn wir wollen, dass unsere Kinder und Enkel so friedlich und gut leben wie wir selbst – und damit die Kinder es in manchen Teilen der Welt es sogar besser haben als heute.
Für Deutschland und die EU ist Russland solch ein unverzichtbarer Partner bei der Gestaltung der Welt von morgen. Wir brauchen Russland als Partner. In gemeinsamer Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in Europa und weit darüber hinaus. Nur gemeinsam mit Russland wird unsere Energieversorgung auf Dauer sicher und friedlich sein, nur gemeinsam mit Russland werden wir Fortschritte bei der Abrüstung erreichen und im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich sein. Ich bin überzeugt: Es wird in Europa, im ganzen eurasischen Raum keine Sicherheit ohne oder gar gegen Russland geben.
Russland braucht aber auch Europa – um sein Land politisch nach vorn zu bringen und sich wirtschaftlich zu modernisieren. Deshalb habe ich eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft vorgeschlagen. Im Kern geht es dabei um eine Zusammenarbeit in Bereichen, in denen sich unsere gemeinsame Zukunft entscheidet: bei der Klima- und Energiepolitik, im gemeinsamen Bemühen um Energieeffizienz, bei der Gesundheitspolitik, bei der Abfederung der Folgen einer älter werdenden Gesellschaft, auf den Feldern Bildung und Wissenschaft oder auch der Rechtstaatlichkeit.
Ich freue mich, dass Präsident Medwedjew bei meinen Gesprächen mit ihm in Moskau und in Berlin diesen Vorschlag positiv aufgegriffen hat. Tun wir alles dafür, die Modernisierungspartnerschaft als Motor für eine gute gemeinsame Zukunft zu begreifen.
kürzlich habe ich jungen Studenten an der Ural-Universität in Jekaterinburg gesagt: Wir leben in einer Zeit, in der nicht mehr die Zahl der Panzer und Raketen über die Stärke eines Landes entscheiden, sondern die Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft, die Zahl seiner klugen Köpfe, die Anwendung von Wissen, die internationale Vernetzung und die Offenheit seiner Gesellschaft.
Genau dies haben wir mit der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft im Blick: uns fit zu machen für das globale 21. Jahrhundert. Das ist nicht nur Aufgabe von Regierungen. Der Staat kann Rahmen setzen und flankierend zur Seite stehen. Lebendig wird eine Partnerschaft aber erst mit konkreten Ideen, Konzepten und Projekten, von engagierten Menschen auf beiden Seiten. Eine Aufgabe ganz besonders auch für den Petersburger Dialog.
Lassen Sie mich dafür zwei Beispiele nennen.
Erstens: Bildung, Ausbildung und Forschung sind für jede Gesellschaft grundlegend. Wissen ist die entscheidende Ressource der Zukunft – das weiß man hier in der Universitätsstadt Passau sehr genau! Deshalb haben wir, Deutschland und Russland, vor drei Jahren eine strategische Partnerschaft in Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Diese Partnerschaft hat dazu beigetragen, dass Deutschland heute mit kaum einem anderen Land der Welt so enge Forschungs- und Hochschulbeziehungen wie mit Russland hat. Rund 12.000 russische Studenten lernen bei uns, viele haben es nach ihrer Rückkehr bis in Spitzenpositionen geschafft.
Aber wir können noch viel mehr tun. Ein gemeinsames Thema ist die Ausbildung junger Menschen und eine praxisnahe Fortbildung. Viele Firmen, übrigens auch deutsche Unternehmen, suchen in Russland händeringend nach Fachkräften. Aber auch die öffentliche Verwaltung muss funktionieren, wenn die Wirtschaft wachsen soll.
Zum Bildungsbereich im weiteren Sinne gehört auch der Jugendaustausch. Nur wenn deutsche und russische Jugendliche sich begegnen, wenn sie Interesse füreinander entwickeln und die Sprache des anderen Landes lernen, bleibt das deutsch-russische Verhältnis auch in Zukunft lebendig.
Der Petersburger Dialog hat zu Recht immer wieder darauf gedrängt, dass wir von beiden Seiten alles tun, um den Jugendaustausch weiter zu verstärken. Das ist das zentrale Anliegen der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch, die aus der Arbeit des Petersburger Dialogs hervorgegangen ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal herausheben, wie groß die Bedeutung der wechselseitigen Sprachkenntnisse ist. Wer die Sprache des Anderen spricht, geht leichter aufeinander zu – ob in der Wirtschaft, in der Forschung oder in der Kultur. Die Initiative für mehr Partnerschulen knüpft genau an diesem Punkt an.
Daher machen wir uns stark für mehr Russisch-Unterricht an deutschen Schulen, mehr Studiengänge an deutschen Universitäten. Wir können da gegenüber den Russen an Neugier und Bereitschaft noch einiges nachholen! Auch dank unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Russland können wir feststellen: In keinem anderen Land der Welt lernen so viele Menschen Deutsch wie in Russland!
Das zweite Modernisierungsthema, das ich nennen möchte, hat Präsident Medwedjew selbst wiederholt angesprochen. Er hat gesagt, dass in Russland die Verbesserung des Rechtssystems und mehr Rechtsstaatlichkeit verwirklicht werden müssen, wenn die Modernisierung des Landes gelingen soll. Das wollen wir unterstützen!
Zum Beispiel mit der Beratung bei Gesetzen. Mit der Fort- und Weiterbildung von Praktikern von Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten und Notaren. Wir sollten auch neue Wege bei der rechtswissenschaftlichen Zusammenarbeit gehen. Ich denke an verstärkte „train the trainer“ Programme für Nachwuchs-Rechtswissenschaftler oder gemeinsame Promotionsprogramme. Als Rahmen könnte ich ich mir ein Deutsch-Russisches Kompetenzzentrum Rechtswissenschaft vorstellen.
dies sind nur zwei von vielen Zukunftsfeldern, die wir gemeinsam gestalten können. Auch in den Bereichen Gesundheitspolitik und Demografie, Energieeffizienz oder Verkehrsinfrastruktur haben wir ganz konkrete Vorstellungen davon, wie wir konkret zusammenarbeiten können und beide dabei gewinnen! Im Bereich des Gesundheitswesens hat der Petersburger Dialog vor allem mit dem „Koch-Mentschnikow-Forum“ schon einen substanziellen Beitrag zu dieser Modernisierungsagenda geleistet.
Viele dieser Zukunftsfelder haben eine europäische Dimension. Deshalb bin ich ausgesprochen froh, dass es beim EU-Russland Gipfel in Chanty-Mansijsk letzte Woche gelungen ist, den Startschuss für die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu geben. Zwei Jahre haben wir uns in der EU und in Moskau gegenseitig Steinchen und Steine in den Weg gelegt. Jetzt kann es endlich losgehen, und hoffentlich sehen wir jetzt stärker, wie viel wir uns langfristig zu geben haben. Ich halte auch langfristig auch eine Freihandelszone zwischen der EU und Russland für keine Utopie, wenn Russland schon eine Weile der Welthandelsorganisation angehört.
Leo Tolstoi hat uns folgenden Rat auf den Weg gegeben: „Es ist leichter, zehn Bände über Philosophie zu schreiben, als einen Grundsatz in die Tat umzusetzen.“
Lassen Sie uns also an die Arbeit gehen. Lassen Sie uns den Petersburger Dialog nutzen, um die Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland mit neuen Ideen und Taten zu vertiefen!
Meine Damen und Herren, ich freue mich jetzt auf Ihre Anregungen, Herr Gorbatschow und Herr de Maizière.
Montag, Juni 30, 2008
Bundespräsident Köhler wartet verfassungsrechtliche Prüfung zum EU-Vertrag von Lissabon ab
Bundespräsident Horst Köhler wird die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon nicht unterzeichnen
Das Bundespräsidialamt teilt mit:
Bundespräsident Horst Köhler wird die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 - ungeachtet des Ergebnisses seiner Prüfung des Zustimmungsgesetzes gem. Art. 82 Abs. 1 GG - bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon nicht unterzeichnen. Angesichts vorliegender Anträge auf einstweilige Anordnung folgt der Bundespräsident damit einer Bitte des Bundesverfassungsgerichts. Diese Entscheidung ist dem Bundesverfassungsgericht heute durch das Bundespräsidialamt förmlich mitgeteilt worden.
Das Bundespräsidialamt teilt mit:
Bundespräsident Horst Köhler wird die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 - ungeachtet des Ergebnisses seiner Prüfung des Zustimmungsgesetzes gem. Art. 82 Abs. 1 GG - bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon nicht unterzeichnen. Angesichts vorliegender Anträge auf einstweilige Anordnung folgt der Bundespräsident damit einer Bitte des Bundesverfassungsgerichts. Diese Entscheidung ist dem Bundesverfassungsgericht heute durch das Bundespräsidialamt förmlich mitgeteilt worden.
Abonnieren
Posts (Atom)